DDR-Geschichte vor Ort erkunden –
4. Sächsisches Geschichts-Camp vom 15. bis 19. September 2015 in Plauen
Plauen im Herbst 1989 – dieser Blick zurück verspricht spannende neue Einblicke. Die Schülerinnen und Schüler des 4. Sächsischen Geschichts-Camps machten sich auf Einladung des Sächsischen Ministeriums für Kultus vom 15. bis 19. September vor Ort auf Spurensuche. Sie wollten entdecken, welche besondere Rolle die vogtländische Stadt bei der Friedlichen Revolution spielte. Auch die Geschichte Plauens zu DDR-Zeiten als eine Stadt in Grenzlage und die Arbeit der Staatssicherheit in Plauen standen auf dem Programm.
Im Zeichen des 25. Jahrestages der Deutschen Einheit trug das diesjährige Geschichts-Camp den Titel “Halt – Grenzposten – Stehenbleiben oder ich schieße! 25 Jahre Deutsche Einheit – Leben an und mit der Grenze”. Die geschichtsbegeisterten Teilnehmerinnen und Teilnehmer, mehr als 40 an der Zahl, kamen vorwiegend aus sächsischen Schulen. Einige waren aber auch aus anderen Bundesländern angereist, darunter aus Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Alle nutzten die Gelegenheit, sich ausführlicher mit der Geschichte der DDR und der Friedlichen Revolution zu befassen, die im Schulunterricht meist zu kurz kommt.
Die Schülerinnen und Schüler sprachen mit vielen Zeitzeugen, lasen in Stasi-Akten nach und besuchten das Deutsch-deutsche Museum in Mödlareuth. Hier erfuhren sie, wie es sich in dem geteilten Dorf lebte, und konnten die Relikte der Mauer in Augenschein nehmen. In kleinen Workshops setzten sie sich anschließend intensiv mit verschiedenen Themen auseinander. So ging es beispielsweise darum, welches Leid die Zwangsumsiedlungen aus dem Sperrgebiet in den 1950er und 1960er Jahren für die Betroffenen mit sich brachten; wie Menschen den Versuch unternahmen, über die Mauer zu fliehen, und welche Folgen die gescheiterten Fluchtversuche für sie hatten; wie andere Menschen die DDR mittels eines legalen Ausreiseantrags verlassen wollten und dafür von der Staatssicherheit schikaniert wurden. Erkundet wurde auch die Geschichte des legendären Jugendclubs “Malzhaus” in Plauen. Zudem erfuhren die Schülerinnen und Schüler aus erster Hand von ehemals Verfolgten mehr über die Stasi-Methoden der Überwachung und Einschüchterung. Wiederum andere setzten sich mit der Erinnerung an die Friedliche Revolution in Plauen auseinander. Am Ende der fünf Tage in Plauen zeigten die Workshops ihre Ergebnisse in beeindruckenden Präsentationen.
Auch das Rahmenprogramm des Geschichts-Camps war vielfältig. So hieß der Bürgermeister die Gruppe im Namen der Stadt Plauen willkommen – und machte gleich deutlich, welche Aktualität die Auseinandersetzung mit der deutsch-deutschen Teilung in diesen Monaten angesichts der vielen Flüchtlinge hat. “Gibt es gute und schlechte Grenzen?”, lautete seine Frage, die er den Schülerinnen und Schülern mitgab. Über die Vorgeschichte und die Ereignisse des Herbstes 1989 in Plauen konnten sich die Schülerinnen und Schüler bei einer Podiumsdiskusssion mit mehreren Zeitzeugen informieren. Das Kulturreferat der Stadt Plauen hatte die Veranstaltung eigens anlässlich des Geschichts-Camps organisiert. Zusammen mit Schulklassen aus Plauen erhielt die Gruppe des Geschichts-Camps dabei die Möglichkeit, maßgebliche Akteure des Herbstes 1989 zu hören und befragen. Das Spiel „Bürokratopoly“ kennenzulernen, das den DDR-Staat bloßstellte und in DDR-Oppositionskreisen kursierte, war ein weiteres Highlight des Geschichts-Camps. Der Urheber Dr. Martin Böttger, der das Spiel in den 1980er Jahren entwickelte und deshalb unter Überwachung durch die Staatssicherheit stand, war persönlich zu Gast. Er informierte über die Entstehung und die Bedeutung von “Bürokratopoly”. Im Anschluss probierten die Schülerinnen und Schüler das Spiel mit großem Vergnügen selbst aus und brachten es bis zum “Mitglied des Politbüros” oder zum “Staatsratsvorsitzenden”.
Ein Ausflug in die Stadt Hof gab Aufschluss über die Städtepartnerschaft Hof-Plauen, die schon seit 1985 besteht und bereits zu DDR-Zeiten eine Fülle an grenzüberschreitenden Kontakten mit sich brachte. Der Oberbürgermeister nahm sich die Zeit für eine ausführliche Diskussion mit der Gruppe und erzählte unter anderem von seinen Eindrücken, als im Herbst 1989 die Züge mit den DDR-Flüchtlingen aus der Prager Botschaft in Hof ankamen. Die Stadt erlebte damals historische Tage, die sie bis heute prägen. Ein Besuch des Fernweh-Parks, einem dem Frieden und der Verständigung verpflichteten Projekt, stand am Ende des Tages in Hof.
Das Geschichts-Camp fand zum vierten Mal statt. Es will Schülerinnen und Schüler anregen, sich mit der Geschichte der DDR auseinanderzusetzen. Veranstalter ist das Sächsische Ministerium für Kultus in Zusammenarbeit mit dem Beauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR und dem Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten. Feste Partner des Geschichts-Camps sind die Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau und der Sächsische Ausbildungs- und Erprobungskanal (SAEK).
Elisabeth Kohlhaas (Koordinatorin des 4. Sächsischen Geschichts-Camps)